Differenzierte Leistungsbewertung

Björn Nölte, Studienseminar Potsdam

Didaktische Begründung

Auch bei differenzierter Leistungsbewertung sollte der Grundsatz gleiche Leistung - gleiche Note erhalten bleiben. Die Differenzierung soll es den Schülern allerdings ermöglichen, unterschiedliche Stärken optimal in der Leistungsüberprüfung einzubringen. Leistungsunterschiede werden nicht aufgehoben, aber Nachteile , die den Schülern aus ihren ohnehin schon schwächeren Leistungen entstehen, werden nicht noch durch Prüfungsanforderungen verstärkt.
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1. Basis- und Erweiterungsteil

Der vollständig und korrekt bearbeitete Basisteil wird mit der Note 2 oder 3 bewertet, in einem freiwilligen Erweiterungsteil können zusätzliche Punkte erworben werden. Der Basisteil muss vollständig bearbeitet werden um Punkte für den Erweiterungsteil zu bekommen.

Kommentar:

Dieses Vorgehen ist besonders dann geeignet, wenn die Leistungsunterschiede in der Klasse sehr groß sind und sich leistungsschwache Schüler durch den Umfang der Gesamtaufgabe üblicherweise davon abschrecken lassen, überhaupt mit der Arbeit anzufangen. Allerdings funktioniert dieses Vorgehen auch nur dann, wenn die Schüler ihr Leistungsvermögen gut einschätzen können und nicht reflexartig und zu eilig alle Aufgaben erledigen möchten.

2. Zweispaltenarbeit

Die Klassenarbeit ist in zwei Spalten aufgeteilt. Vom gleichen Aufgabentypus stehen immer eine leichtere und eine schwierigere Aufgabe nebeneinander, jeweils mit den ausgewiesenen Punkten, die bei jeder Aufgabe erreichbar sind. Die Schüler können bei jedem Aufgabentypus wählen und am Ende werden alle Punkte zusammengezählt. Die Bearbeitungszeit sollte so konzipiert sein, dass die Schüler nicht beide Aufgaben bewältigen können. Vorher muss geklärt sein, wie gewertet wird, wenn doch beide Aufgaben bearbeitet werden (automatisch die bessere Punktzahl, Schüler entscheidet in der Arbeit für eine der beiden Aufgaben etc.).

Kommentar:

Dieses Vorgehen muss mit den Schülern vorher gut geübt werden. Vor der Klassenarbeit sollte unbedingt eine Zwischenreflexion stattfinden, damit die Schüler ausreichend Rückmeldungen zu ihrem Leistungsstand erhalten (siehe die Bemerkungen zum formative assessment unten auf dieser Seite).

3. Notenvertrag

Vor einem längeren Arbeitszeitraum entscheiden sich die Schüler für ein Arbeitsprodukt, dass bei vollständiger Bearbeitung zu der im Vertrag festgesetzten Note führt (siehe unten). Die Kriterien für die Erledigung müssen transparent sein. Bei Übererfüllung kann es einen Notensprung nach oben, bei Untererfüllung einen Sprung nach unten geben.

Kommentar:

Auch bei diesem Verfahren ist eine gründliche Vorbereitung der Schüler notwendig. Wenn sich die Schüler für ein Arbeitsprodukt entschieden haben, können Sie die Erledigungstermine so planen, dass sie sinnvoll in Ihre Sequenzplanung passt. Das Beispiel unten stammt aus dem Buch von D. Dinkmeyer: step. Das Buch für Lehrer/innen. Beltz 2012 und ist inhaltlich möglicherweise renovierungsbedürftig. (Es soll als Beispiel dienen.)

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4. Gestufte Hilfen

Die Schüler können sich durch eine Herabsetzung ihrer Note Hilfsmittel "einkaufen". Die Hilfen sind zuvor genau zugeordnet. Der Lehrer muss die Inanspruchnahme der Hilfen genau dokumentieren.

Kommentar:

Sinnvoll ist dieses Vorgehen vor allem dann, wenn die Schüler zuerst auf eine Schlüsselidee kommen müssen, um die Aufgaben weiter zu bearbeiten. Dies kann z. B. die Übersetzung einer zentralen Textstelle sein, der Hinweis auf bestimmte Grammatikkonstruktionen in Latein, die Wahl eines Rechenansatzes in Mathematik oder ein Hinweis auf bestimmte Zeilen in einem Sachtext, wo die Kernaussagen des Autors besonders prägnant formuliert sind.

5. Offene Aufgaben - offene Kategorien im Erwartungshorizont

Es kann den Schülern z. B. freigestellt werden, welche Figur sie charakterisieren sollen, oder welchen Inhalt sie näher erläutern sollen; z. B. in Geografie die Wahl zwischen verschiedenen Bodenschichten, in Englisch die Beschreibung einer selbst gewählten Stadt. Die Beschreibungskriterien sind wiederum gleich, so dass nach einem einheitlichen Erwartungshorizont bewertet werden kann.

Kommentar:

Dieses Verfahren ist besonders nach einem Unterricht sinnvoll, der in Gruppen stattfand. Allerdings sollten sie vermeiden, diese Form der Leistungsbewertung dann anzukündigen, wenn sie wollen, dass jeder Schüler alle Inhalte vorbereitet.

6. Klassenarbeiten durch andere Leistungen ersetzen

Projektarbeit, Portfolio, mündliche Prüfung

Kommentar:

Diese Formen müssen durch Beschlüsse der Fachkonferenz abgesichert sein. Es ist sinnvoll, hier nach schuleinheitlichen Regeln zu verfahren.

7. Blog

Bewertungskriterien für die Blog-Mitarbeit

Qualität deiner Beiträge

Originalität der Beiträge (nicht von anderen abschreiben)

Vollständigkeit der Kommentare

Umfang der Beiträge

Wie sehr gehst du auf vorhandene Kommentare ein bzw. wie stark geht man auf dich ein (Zustimmung oder entgegengesetzte Meinung)?

[nur eventuell möglich:] Wirfst du in deinen Kommentaren neue, sinnvolle Fragen auf?

Unter dem nachfolgenden Link finden Sie das Beispiel einer Blog-Bewertung. Die farbliche Bewertung (Kästchen) kann im laufenden Prozess verändert werden, wenn der Schüler z. B. seinen Beitrag ergänzt, erweitert, korrigiert.

ZUSATZMATERIAL

Formative Assessment

Eine lernpsychologisch besonders wirksame Form der Differenzierung von Leistungsrückmeldung ist das sogenannte formative assessment (sinngemäß am ehesten übersetzbar mit "Leistungsbeurteilung im Prozess"). Im Gegensatz zum sogenannten summative assessment (Beurteilung am Ende des Lernprozesses) wird hierbei eine Rückmeldung während des Lernprozesses gegeben, und zwar bezogen auf einen erreichbaren Endzustand der Leistung und mit verbunden mit klaren Hinweisen zur Erreichung des Ziels. Motivation des Schülers und Wirksamkeit der Hinweise sind in dieser Form erheblich höher als bei der Beurteilung am Ende des Lernprozesses, an dem der Schüler die Rückmeldung nur zur Kenntnis nehmen aber nichts mehr verändern kann.


Im nachfolgenden Video erklärt Rick Wormeli den Unterschied von formative und summative assessment.

Rick Wormeli: Formative and Summative Assessment

Denkanregung

Worin besteht hier die Differenzierung?

Literatur

Karin Kress: Binnendifferenzierung in der Sekundarstufe - Das Praxisbuch. Donauwörth 2012